Trauma
Die Katastrophe ist vorbei. Was noch da ist, sind Erinnerungen. Und Flucht- oder Kampf-Impulse, die nicht zum Ausdruck kamen im Moment der Gefahr. Begleitet von Gefühlen wie Panik, Ohnmacht, Schmerz, Wut, Haß, Trauer ... sinnvolle Reaktionen auf unfaßbare Ereignisse.
Trauma heißt auf deutsch: Wunde. Die einzelnen Teile der Erfahrung wurden nicht zusammengesetzt, sie sind in Splitter-Form gespeichert im sogenannten "heißen Gedächtnis", dem Alarm-Zentrum unseres Hirns. Von dort aus machen sie sich bemerkbar in Träumen oder in Intrusionen (plötzlichen heftigen Bildern, Worten, Gerüchen, Empfindungen, Gedanken...).
Auch Depressionen, Ängste, Taubheitsgefühle, körperliche Erkrankungen, Schlaf- oder Eß-Störungen, Wutanfälle, Süchte (einschließlich "Beziehungs-Sucht") können Hinweise sein.
Traumatherapie
Ein klarer, sicherer Rahmen. Eine verläßliche Beziehung. Freiwilligkeit. Das sind entscheidende Voraussetzungen für das Gelingen einer Therapie.
Zunächst wird die Klientin dabei unterstützt Techniken zu lernen, mit denen sie sich im Fall einer Überlastung selbst beruhigen, erden, stabilsieren kann. Die eigentliche Verarbeitungs-Phase setzt dann den Prozeß in Gang, in dem die Bruchstücke der traumatisierenden Erfahrung zusammengesetzt werden, mit guten Erlebnissen verbunden und schließlich abgelegt im sogenannten "kalten Gedächtnis". Gelingt dieser Prozeß kann die Erfahrung nun in der Regel in Worte gefaßt werden und löst keine heftigen Emotionen mehr aus. Der allgemeine Streß-Pegel nimmt ab.
Diese Darstellung eines typischen Verlaufs einer Trauma-Therapie stellt kein Heilversprechen dar.
EMDR
Auf natürliche Weise ist bilaterale Stimmulation (zwei-seitige Anregung) schon seit Urzeiten Bestandteil der Heiltraditionen vieler Völker. Instinktiv tun wir manchmal solche Dinge wie: den Körper von links nach rechts schaukeln, von einem Bein auf`s andere treten... wenn wir uns in Not oder verlassen fühlen. Tanzen, Trommeln, Schunkeln, Klatschen, Laufen, Radfahren... links rechts, links rechts. Wie gut das tut!
Auf diese Weise werden die beiden Hirmhälften im Wechsel angeregt. Das begünstigt, wie Francine Shapiro herausfand, unter bestimmten Umständen die Verarbeitung belastenden Materials, das sogenannte "Einweben" und Neutralisieren. (siehe "Trauma-Therapie").
EMDR unterstützt aber auch beim Bewußtmachen und Spüren eigener Fähigkeiten und Stärken und kann so das Treffen von Entscheidungen erleichtern, oder das Lösen kompliziert erscheinender Situationen. Dafür u.a. wird es im Coaching eingesetzt.
Über die therapeutische Beziehung
Therapie ist eine sonderbare Beziehung: Es geht nur um eine von beiden. Auf ihr liegt der Fokus. Die Therapeutin ist an ihrer Seite und auf ihrer Seite. Mit Verständnis und Mitgefühl. Manchmal konfrontierend. Die Klientin kann sich zeigen, sie kann vielleicht etwas Schwieriges, Abgespaltenes... zulassen, fühlen, annehmen und dadurch integrieren. Das braucht einen besonderen Raum. Verlässlichkeit. Schutz.
TherapeutInnen unterliegen der Schweigepflicht. Und einem Abstinenz-Gebot.
Das bedeutet: die Therapeutin gewährleistet, daß sie die Beziehungs-Energie die die Klientin in diesem Vertrauensverhältnis entwickelt, nicht zur Befriedigung eigener Bedürfnisse ausnutzt. Die Klientin darf das Gefühl haben, die Therapeutin zu brauchen. Umgekehrt wird es schwierig! Die Klientin darf die Beziehung jederzeit verlassen. Die Therapeutin nicht.
Es bedeutet nicht , daß die Therapeutin alles erdulden muß, was die Klientin tut. Und auch nicht, daß die Begegnung nicht auch der Therapeutin etwas geben darf.
Hindernisse
Der Titel dieses Buches hat mich berührt und stand am Anfang meiner Suche nach Heilung: "Wenn Leiden einen Sinn haben soll" (Dr. Kurt Stettbacher).
Aber warum leiden wir manchmal so lange?
Oft ist es Scham, die uns daran hindert, Hilfe zu suchen.
Scham hat die Natur eingerichtet, damit das Zusammenleben in einer Gemeinschaft gelingt. Von Natur aus schämen wir uns, wenn wir etwas tun "was man nicht tut".
Leider können wir als Kinder nicht unterscheiden, ob wir wirklich etwas getan haben...
So bleiben manchmal Scham-Gefühle verbunden mit Erfahrungen, in denen wir keinerlei Schuld hatten.
Ein anderes Hindernis heißt: Treue. Als Kinder tun wir alles um die Verbindung zu unseren Eltern aufrecht zu erhalten. Das ist eine biologische Notwendigkeit. Wenn uns verwirrende oder schlimme Dinge zugefügt werden, blenden wir das unter Umständen aus.
Das hat einen Preis: wir verlieren den Kontakt zu einem Teil unserer Erfahrungen, unserer Lebendigkeit. Es kann sein, daß wir als Erwachsene dann in manchen Situationen oder auch ständig uns wie leblos, wie taub fühlen. Und weil das eine unerträgliche Empfindung ist, versuchen uns auf andere Art zu betäuben (Drogen, Arbeit...).
Und dann gibt es noch "das Symptom als letzten Zeugen": Das heißt, wir möchten mit unserem Leiden vielleicht das Leiden unserer Vorfahren ehren, der Gruppe zu der wir gehören.
Alle lebenden Systeme suchen Stabilität. Deswegen ist es wichtig und richtig, auch das Recht jeder einzelnen, im Moment nichts zu ändern, zu respektieren.
Gewaltfreie Kommunikation - GFK
Verschließen wir nicht alle die Ohren, wenn wir Vorwürfe hören ?
...gehen auf Distanz, wenn wir spüren, die andere verurteilt uns?
Und wer schon mal ein Kind bestraft hat, weiß, was DANACH geschieht!
Und doch greifen wir immer wieder selbst zu diesen Mitteln ...
Gewaltfreie Kommunikation schlägt vor, uns statt dessen unseren Bedürfnissen zuzuwenden.
Bedürfnisse sind nie im Konflikt. Was im Konflikt ist, sind immer nur die Strategien, mit denen wir versuchen, sie uns zu erfüllen. (Marshall Rosenberg)
Alle Menschen haben die gleichen Bedürfnisse: Nahrung, Unversehrtheit, Geborgenheit, Liebe... Selbstbestimmung, kreativer Ausdruck, Sexualität, Spiel.
Fallen euch noch welche ein? :)
GFK wird in der Mediation genutzt, weltweit, auch zwischen Völkern und Staaten. Viele Menschen beginnen es zu lernen, weil sie unzufrieden sind mit der Art des Umgangs mit ihrem Partner, ihren Kindern, Eltern, auf Arbeit...
Ich schätze vor allem, wie meine Beziehung zu mir selbst sich verbessert hat durch GFK. Ich weiß jetzt, daß ich frei bin für die Erfüllung meiner Bedürfnisse zu sorgen, kreative Lösungen zu finden, anstatt z.B. auf die Antwort einer bestimmten Person zu warten.
Kollektive und Trans-Generationen-Traumata
Schon mal von "Spiegel-Neuronen" gehört ?
Der Freiburger Neuro-Biologe Joachim Bauer hat das entdeckt: Wenn wir beobachten wie jemand etwas tut, sind in unserem Gehirn genau die gleichen Zellen aktiv, wie wenn wir es selbst tun ! Nur in der anderen Hirn-Hälfte.
Auf diese Weise lernen wir. Wir sehen und hören jemanden sprechen und die gleichen Muskeln werden in uns aktiviert. Wir sehen jemanden zusammenzucken... und wir zucken zusammen. Das ist nur eine mögliche Erklärung dafür, wie die Folgen unverarbeiteter Traumata von Eltern oder Großeltern an Kinder weiter gegeben werden.
Als mein Vater 5 Jahre alt wurde, geschah der furchtbare Angriff auf Dresden, am 13. Februar 1945. Meine Oma lief jeden Tag zu ihrer Arbeitstelle zu Fuß durch die ganze Stadt, vorbei an Leichen, durch Trümmer. Sie war es auch, die mir erzählte, daß alle es wußten, als die Juden abgeholt wurden. Der Eigentümer eines großen Dresdner Warenhauses z.B. mit seiner Familie. Es stand in der Zeitung. Als sie es erzählt, spüre ich ihre Abscheu gegen diese Gewalt ... auch Scham.
Wenn ich Menschen begegne, die aus Dresden stammen, empfinde ich manchmal etwas Gemeinsames, eine Resonanz in mir. Es fühlt sich irgendwie schwer an. Etwas Unausgesprochenes, vielleicht Unaussprechliches. Ob die Erfahrungen dieser Zeit, die Bombardierung, Zeugenschaft von Gewalt, Willkür, Mißachtung und Elend, uns noch heute in den Knochen stecken?
Kein Tier tötet um des Tötens willen. Was für eine Botschaft: Ich will, daß du stirbst! Wir alle haben das erlebt. Wenn nicht am eigenen Leib, dann als Angehörige einer Gruppe, die Ziel wurde / wird: Trans- und Homosexuelle, Frauen, Menschen aus Afrika, aus dem Pazifik, Roma, Juden, Kinder, Menschen ohne Besitz, Menschen mit "Behinderungen" .. und auch Männer - als Soldaten mißbraucht und geopfert in Kriegen. Wann hören wir endlich auf zu glauben, daß neues Morden uns erlöst von alten Schmerzen ?
Hier spricht Thomas Hübl über Transgenerationelle Traumata und wie wir beginnen können, ihrer gewahr zu werden.
Erben tun wir aber auch die Fähigkeiten die unsere Vorfahren entwickelten, als sie Katastrophen überleben mußten, um das Leben trotzdem weiter zu geben - an uns. Was für Kräfte in Menschen schlummern!
Wiederherstellende Gerechtigkeit - Restorative Justice
Diese Praxis gab es in vielen Kulturen, z.B. bei den Maori und bei amerikanischen Ureinwohnern.
Menschen werden durch Bestrafen nicht besser, das ist wissenschaftlich erwiesen. Und in den Gefängnissen der Welt verlieren Angehörige diskriminierter Gruppen Jahre ihres Lebens für manchmal recht geringe Vergehen, während wirklich großes Unrecht unausgeglichen bleibt.
Wiederherstellende Gerechtigkeit kann helfen Gemeinschaften vor Grausamkeiten und Unrecht zu schützen.
Wie wird es gemacht ?
Zuerst wird die Frage gestellt: Wer hat Schaden erlitten ? Und was braucht diejenige ?
Es wird ein Kreis gebildet aus Menschen die diese Person gut kennen. Und ein weiterer Kreis aus Menschen, die der Person nahe stehen, die die Tat verübt hat.
Beide Kreise haben die Aufgabe, die beiden wieder in Kontakt zu bringen mit ihren Stärken, mit ihrem Wert...
Das Ziel ist, daß die Verantwortung für die Tat übernommen werden kann, da wo sie liegt. Und auf der anderen Seite diese Verantwortungs-Übernahme empfangen werden kann und eventuell auch eine Wiedergutmachung.
"Die Verantwortung liegt niemals nur bei einer Person" - So hat sich einmal ein Vater im Laufe eines solchen Prozesses dafür verantwortlich bekannt, seinem Sohn, der einen Mord beging, Haß beigebracht zu haben.
Quelle: Vortrag von Sujata Baliga (Video mit einem Beispiel auf englisch).
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